B 9610 B 38
Wilhelm I, der Heilige, Herzog von Aqutanien, I E mit Kunigunde, II E mit AL.9611 B, + 28.5.812.
Durch seine Mutter Alda (AL.39/19221 B), die Schwester Pippin d.Jüngeren (AL.9600 B), ein direkter Verwandter Karl d.Großen (AL.37/4800 B), an dessen Hofschule er aufwächst und von dem er 790 zum Herzog von Aquitanien und Grafen von Toulouse gemacht wird, wohl als Statthalter für den erst 12-jährigen König Ludwig von Aquitanien, den nachmaligen Kaiser Ludwig d.Frommen (AL.36/2400 B). 793 erklärt Hisham, der Nachfolger Emir Abd er Rahman I von Cordoba, den Jihad (Heiligen Krieg) und fällt in Wilhelms Territorium in Südfrankreich ein. Es kommt zur Schlacht am Orbieux, bei der zwar die meisten Ritter Wilhelms fallen, er aber selbst den Anführer der muselmanischen Truppen erschlägt, worauf sich diese über die Pyrenäen zurückziehen. In der Folge erobert er mit Hilfe nordfranzösischer Hilfstruppen die bis dahin sarazenischen Städte Nimes und Narbonne und schließlich 801 als Heerführer König Ludwigs auch Barcelona. 806 entsagt Wilhelm der Welt und tritt als einfacher Benediktiner in das von ihm gegründete Kloster Gellone, westlich von Montpellier, ein. In der Nähe baut er auch ein Frauenkloster, wo seine Schwestern Albana und Bertrana als Nonnen wirken. 1066 wird er heilig gesprochen und sein Sterbetag, der 28.5., als Tag seines Heiligenfestes festgesetzt.
Im zwölften Jahrhundert entsteht das Heldenepos des Wilhelmsliedes, das neben dem Rolandslied das wichtigste Denkmal der altfranzösischen Sprache darstellt und uns mit allen 3554 Versen in einer Handschrift aus der Mitte des 13.Jhdts. erhalten ist. Mit dem selben Thema befasst sich auch das provencalische Aliscans und Wolfram v. Eschen-bachs Willehalm. Freilich darf man an diese frühestens 300 Jahre nach Wilhelms Tod aufgezeichneten Epen keine allzu großen historischen und geographischen Anforderungen stellen, ich mache bei der folgenden Zusammenfassung mit Fußnoten auf die jeweils klar erkennbaren Irrtümer des Liedes aufmerksam. Interessant ist übrigens auch, dass bei sonst gleichen sachlichen Inhalten die Ritter in der französischen Version in erster Linie für das Christentum kämpfen, während bei Wolfram von Eschenbachs Nachdichtung die Erringung von Frauenminne die größere Rolle spielt. Zunächst aber zur Einführung die relativ leicht verständlichen altfranzösischen Einleitungsverse:
Plaist vus oir de granz batailles e de forz esturs,
1) de Deramed, uns reis sarazinurs,
2) cun il prist guere vers Lowis nostre empereur ?
Mais dan Willame la prist vers lui forcur,
3) tant qu'il ocist el Larchamp par grant onur.
Der sarazenische König Derame schifft sich von Cordoba nach Archamp ein. Er verwüstet das Land und nimmt zahlreiche Ritter gefangen. Einer von ihnen kann nach Bourges entkommen, wo sich Thiebaut, Estourmi, Vivien und 700 weitere Ritter befinden. Man glaubt auf die Mithilfe von Viviens Onkel, des gerade abwesenden Herzogs Wilhelm, verzichten zu können und zieht mit 10.000 Mann gegen die Heiden. Von diesen lagern aber bereits 20.000 Mann in 500 Zelten bei Archamp. Die Christen fliehen vor der Übermacht, nur Vivien kämpft mit zuletzt nur mehr 20 Getreuen gegen die nun bereits auf 500.000 Mann angewachsenen Muslime, wobei natürlich alle Christen fallen.
Wilhelm erfährt in Barcelona 4) von dieser Niederlage und zieht mit 30.000 Rittern nach Archamp. Die Heiden wollen zwar flüchten, werden aber durch widrige Winde am Absegeln gehindert. Es kommt zu einer fürchterlichen Schlacht, bei der wiederum alle Christen fallen, zuletzt auch Wilhelms treue Begleiter Girard und Guischard. Der Herzog allein kann entkommen und flieht zu seiner Frau Guibourc (Wittburga) nach Orange 5), die dort für ihn ein weiteres Ritterheer von 30.000 Mann aufgestellt hat.Erneut zieht man nach Archamp und nun endlich können die Sarazenen überwunden werden, Wilhelm persönlich stößt König Derame vom Pferd, worauf ihm sein 15-jähriger Neffe Gui das Haupt abschlägt. Trotzdem werden die Christen auf ihrem Rückmarsch nach Orange verfolgt, wobei Wilhelm den Sarazenenkönig Alderufe mit Joyeuse erschlägt, dem Schwert, das ihm Karl d. Große geschenkt hat. Vor Orange muss das Ritterheer nochmals 7000 Muselmanen erschlagen, bevor man die Heimkehrer in die Stadt einlässt, die trotzdem sofort vom Feind belagert wird.Wittburga schickt ihren Gemahl nach Laon, um dort König Ludwig um Hilfe zu bitten und verteidigt während seiner Abwesenheit selbst die Stadt, wobei sie Tote an die Mauerzinnen lehnen lässt, um nicht vorhandene Mannschaftsstärke der Verteidiger vorzutäuschen. In Laon lassen sich zwar Ludwig und seine Gemahlin, Wilhelms Schwester 6), lange bitten, stellen aber schließlich doch 20.000 Ritter zur Verfügung. Der Armee schließt sich auch der sagenhaft starke Küchenjunge Rennewart 7) an. In Orange stellt sich heraus, dass Rennewart Wittburgas Bruder ist und beide sind Kinder von Derame und Oriabel 8)! In der folgenden Schlacht befreit Rennewart die auf den heidnischen Schiffen gefangen gehaltenen christlichen Ritter. Mit seiner gewaltigen wundertätigen Keule Tinel tötet er zahlreiche Könige der Sarazenen, darunter auch seinen Onkel Aildre. Die Heiden fliehen und die Christen kehren mit reicher Beute nach Orange heim. Bei den Siegesfeiern vergisst man auf Rennewart, der daraufhin beleidigt schwört, nach Spanien zurück zu kehren und wieder Moslem werden zu wollen, um sodann an der Spitze sarazenischer Truppen nach Orange zu kommen und es zu zerstören. Wilhelm und Wittburga reiten ihm auf ihren besten Pferden nach, bitten ihn um Verzeihung und können ihn zur Rückkehr bewegen. Rennewart lässt sich taufen und wird feierlich in die herzogliche Familie aufgenommen.
Anmerkungen:
(1) Deramed ist wohl eine Verballhornung von Abd-er-Rahman. Der war aber zu dieser Zeit schon tot, Wilhelms Gegner war der schon erwähnte Emir Hischam.
(2) Ludwig war zu dieser Zeit noch lange nicht Kaiser, sondern erst König von Aquitanien.
(3) Archamp südlich von Arles war tatsächlich der Ort zahlreicher Schlachten gegen die Sarazenen, die Entscheidungsschlacht Wilhelms wurde aber am Fluss Orbieux, viel weiter westlich, geschlagen.
(4) In Barcelona konnte Wilhelm erst acht Jahre später einziehen, es wäre auch viel zu weit von Archamp entfernt gewesen.
(5) Orange war niemals Wilhelms Residenz, es dürfte im Epos mit Narbonne verwechselt sein.
(6) Wilhelm war Ludwigs Onkel zweiten Grades, aber nicht sein Schwager.
(7) Rennewart ist historisch nicht fassbar, wäre aber als Sohn des Emirs von Cordoba sicher nicht Küchenjunge des fränkischen Königs gewesen.
(8) Wittburgas Eltern sind uns zwar nicht bekannt, die hier angegebene Abstammung ist aber äußerst unwahrscheinlich.
Vater
Mutter
Tochter